Technologische Innovationen für konkreten Klimaschutz

Die Welt steht vor einer der größten Herausforderungen unserer Zeit: der Reduktion von CO2 in der Atmosphäre. Während die Diskussion um Emissionsvermeidung und Klimaneutralität an Fahrt aufnimmt, wird ein anderer Bereich immer wichtiger – die aktive CO2-Entnahme.

Was ist die Zielsetzung, die TREEO verfolgt, und wie sehen die Umsetzung und der Beitrag von TREE0 konkret aus? – Um Klimaschutzmaßnahmen von Unternehmen sicherzustellen, braucht es eine genaue, rückverfolgbare und datengestützte Transparenz. Nur so kann der Beitrag von Unternehmen zur globalen Abkühlung dokumentiert und damit verifiziert werden.

Interview mit Dr. Stefan Ferber

Ralf M. Ruthardt | Die Welt steht vor einer der größten Herausforderungen unserer Zeit: der Reduktion von CO2 in der Atmosphäre. Während die Diskussion um Emissionsvermeidung und Klimaneutralität an Fahrt aufnimmt, wird ein anderer Bereich immer wichtiger – die aktive CO2-Entnahme (Carbon Dioxide Removal, CDR). Doch wie soll diese global organisiert und umgesetzt werden? Welche Perspektiven gibt es, und welche Technologieansätze tragen dazu bei, diesen Prozess nachhaltig und effizient zu gestalten?

Stefan Ferber | Trotz aller Bemühungen zur Emissionsreduktion ist klar, dass einige Emissionen in den nächsten Jahrzehnten nicht vermeidbar sind. Daher spielt die aktive Entnahme von CO2 eine entscheidende Rolle, um Klimaziele wie die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 oder 2,0 Grad Celsius zu erreichen.

Die Ansätze zur CO2-Entnahme sind vielfältig: von naturbasierten Methoden wie Aufforstung über technische Verfahren wie Direct Air Capture bis hin zu hybriden Modellen, die Digitalisierung und natürliche Prozesse kombinieren.

Ralf M. Ruthardt | Lassen Sie uns, lieber Dr. Stefan Ferber, konkret werden. Sie sind Initiator und Unternehmer. Beschreiben Sie unseren Leserinnen und Lesern bitte Ihre Idee, Ihre Innovation, die Sie an den Markt gebracht haben.

Stefan Ferber | TREEO ist die digitale Lösung für die präzise Überwachung und nachhaltige Bewirtschaftung von Aufforstungsprojekten. Unsere Software ermöglicht es, die CO2-Entnahme jedes einzelnen Baumes jährlich genau zu messen, transparent zu dokumentieren und die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten. Zusätzlich bieten wir unseren Kunden über eine Internet-Seite jederzeit einen Einblick in die aktuelle CO2-Bindung und Biodiversität. So helfen wir, „Greenwashing-Vorwürfen“ vorzubeugen. Primär forsten wir in tropischen Regionen (Indonesien, Uganda) auf, weil dort (leider) viele degradierte Flächen verfügbar sind und dort die Bäume erheblich schneller wachsen. Neben internationaler Aufforstung unterstützen wir auch Projekte hier vor Ort, um z.B. Mitarbeitern unserer Kunden die TREEO-App hier zu demonstrieren. TREEO verbindet technologische Innovation mit praktischen Klimaschutzmaßnahmen und bietet Unternehmen eine effektive Möglichkeit, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

TREEO steht für mich darüber hinaus: Es zeigt, wie wir aktiv Verantwortung übernehmen können – für den Planeten, für kommende Generationen und für soziale Gerechtigkeit.

Ralf M. Ruthardt | Wie stellt man sich das konkret vor?

Stefan Ferber | TREEO macht Klimaschutz messbar und nachvollziehbar, indem es Landwirte in tropischen Regionen dabei unterstützt, ihre gepflanzten Bäume digital zu erfassen und zu überwachen. Über unsere TREEO-App verknüpfen wir diese Daten mit Unternehmen, die ihre CO2-Bilanz verbessern möchten, und schaffen so eine transparente Verbindung zwischen Klimaschutzmaßnahmen und sozialen Mehrwerten. Mir liegt besonders am Herzen, dass wir dabei nicht nur dem Planeten helfen, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung in ländlichen Gebieten fördern. TREEO zeigt, wie Technologie die Brücke schlagen kann – zwischen globalem Klimaschutz und lokalem Engagement.

Ralf M. Ruthardt | Auf einem TREEO-Flyer habe ich Folgendes gelesen: „Perspektivenvielfalt: Von der Technologie bis zur Gesellschaft.“

Stefan Ferber | Ja genau, Perspektivenvielfalt ist die Basis für nachhaltigen Fortschritt – denn nur durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Ideen, Regionen und Akteure können wir Klimaschutz global und gerecht gestalten. TREEO fragt: Wie schaffen wir einen Markt für CO2-Entnahme, der allen zugutekommt? Unsere Technologie zeigt, dass wirtschaftlicher Erfolg und soziale Wirkung sich nicht ausschließen müssen, sondern Hand in Hand gehen können. Wir stehen an einem Punkt, an dem Technologie nicht nur Lösungen liefern, sondern den Rahmen für eine neue Art des Wirtschaftens schaffen muss – inklusiv, nachhaltig und gerecht. TREEO möchte ein Vorreiter in diesem Wandel sein. Dabei haben wir TREEO mit drei wichtigen Perspektiven gegründet:

Homo naturalis: mit naturbasierten Lösungen die Klimakrise zu bekämpfen. Das funktioniert am schnellsten, günstigsten und skaliert am besten mit dem Aufforsten tropischer Regenwälder, indem die Biodiversität ebenfalls adressiert wird.

Homo technologicus: Vertrauen für unsere Kunden in die Investition der Aufforstungsprojekte mittels Transparenz, jeden Baum einmal pro Jahr zu erfassen.

Homo oeconomicus: Landwirte und Bau-Pflanz-Partner mit kommerziell nachhaltigem Geschäftsmodell als Entrepreneur aktiv zu involvieren.

Ralf M. Ruthardt | Sie sprechen manches Mal von „zehn zentralen Fragen“. Ich habe hier die Liste dieser Fragen. Lassen Sie uns diese Liste durchgehen und mit der ersten Frage beginnen:

Welche Verantwortung haben wir als heutige Gesellschaft gegenüber zukünftigen Generationen?

Stefan Ferber | Unsere Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen liegt darin, heute Entscheidungen zu treffen, die nicht nur unsere Gegenwart sichern, sondern auch die Zukunft gestalten. Es geht darum, die Grundlagen für eine Welt zu schaffen, in der ökologische Stabilität, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Fortschritt im Einklang stehen.

Die Erfolge des fossilen Zeitalters haben Teilen der Gesellschaft viel Wohlstand gebracht, allerdings mit hohen Klimaschulden, insbesondere für die folgende Generation und für die Menschen, die davon gar nicht profitiert haben.

Diese gilt es jetzt einzudämmen und abzuzahlen; schlussendlich müssen wir unseren „Müll sachgerecht“ entsorgen. Wir sollten jetzt Verantwortung für unser Klima und Biodiversität übernehmen.

Ralf M. Ruthardt | Wie schafft man es, dass die Kosten und Nutzen der CO2-Entnahme gerecht verteilt werden?

Stefan Ferber | Die gerechte Verteilung der Kosten und Nutzen der CO2-Entnahme erfordert ein enges Zusammenwirken zwischen Technologie, Politik und Wirtschaft. Technologisch gesehen müssen wir sicherstellen, dass innovative Lösungen wie die CO2-Entnahme skalierbar und effizient sind, um die Kosten für alle Beteiligten tragbar zu machen. Politisch brauchen wir klare Rahmenbedingungen, die sowohl die Unternehmen als auch die Länder, die am meisten von den negativen Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, an einen Tisch bringen. Gleichzeitig muss der Zugang zu Kohlenstoffmärkten und Klimaschutztechnologien für den globalen Süden und marginalisierte Gruppen erleichtert werden.

Das heutige dominante ökonomische Modell betrachtet die Ressourcen der Erde als Externalität, diese sind daher nicht eingepreist: z.B. Biodiversität, Klimagase, zerstörte Landschaften. Dieses Paradigma lässt sich z. B. mit „Doughnut Economics“ durchbrechen, indem soziale Mindeststandards mit ökologischen Höchstgrenzen kombiniert werden, um ein Gleichgewicht zu schaffen, in dem Marktakteure für ihre Auswirkungen gerecht bezahlen. Ein praktisches Beispiel ist der Kohleausstieg in Großbritannien, bei dem Kohleverstromung ohne Verbote schlicht unrentabel wurde – ein klares Zeichen dafür, wie ökonomische Anreize im Einklang mit ökologischen Zielen wirken können.

Informationen zu „Doughnut Economics“: https://en.wikipedia.org/wiki/Doughnut_(economic_model)

Ralf M. Ruthardt | Welche globalen Kooperationsmodelle brauchen wir Ihrer Einschätzung nach, um CO2-Entnahme zu fördern und zu regulieren?

Stefan Ferber | Um CO2-Entnahme global zu fördern und zu regulieren, brauchen wir multilaterale Kooperationsmodelle, die technologische Innovationen, politische Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Anreize miteinander verbinden. Auf der technischen Seite müssen wir globale Standards und Metriken für die Messung und Verifizierung von CO2-Entnahme bereitstellen, um Transparenz und Vertrauen zu gewährleisten. Politisch ist eine internationale Zusammenarbeit unerlässlich, um faire Regelungen zu schaffen, die sowohl den globalen Norden als auch den globalen Süden einbeziehen – etwa durch Mechanismen wie das Pariser Abkommen, das Anreize für CO2-Entnahme schafft und gleichzeitig die globalen Emissionen reduziert.

Leider hat sich auf der Klimakonferenz in Paris nicht das globale „cap and trade“, sondern die „Nationally Determined Contributions (NDCs)“ durchgesetzt. Diese sind freiwillig und jeder nationale Akteur legt die Regeln anders fest. Die EU ist mit dem ETS eine rühmliche Ausnahme.

Das „CO2e“ muss und wird eine Währung werden, die ähnlich bedeutsam wie Euro, Dollar oder Gold wird. Weil Klimagase in der Atmosphäre ein globales Problem sind, brauchen wir dazu einen internationalen Handlungsrahmen: Märkte mit Liquidität, feste Standards, die Klimawirkung wissenschaftlich belegen. Das gelingt mit unternehmerischem und politischem Willen. Ich halte das für gar nicht so schwierig, heute handeln wir international Öl, Strom, Gold, Krypto, Kaffee und sogar Schweinebäuche. Beim CO2 muss man nur zwischen der Emission und der Entnahme unterscheiden.

Ralf M. Ruthardt | Wie kann CO2-Entnahme ein Geschäftsmodell sein, ohne soziale und ökologische Ungerechtigkeiten zu verschärfen?

Stefan Ferber | CO2-Entnahme kann ein nachhaltiges Geschäftsmodell sein, wenn es auf Prinzipien der Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit basiert. Aus technischer Sicht ist es wichtig, dass die eingesetzten Technologien nicht nur effizient, sondern auch transparent und fair sind. Unternehmen müssen sicherstellen, dass die CO2-Entnahme nicht nur als Mittel zur Emissionsminderung dient, sondern auch die sozialen und ökologischen Gegebenheiten berücksichtigt. Ökonomisch sollte das Geschäftsmodell den Zugang für alle Akteure ermöglichen, insbesondere für Länder im globalen Süden, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Märkte für CO2-Entnahme sollten so gestaltet werden, dass sie nicht nur den Unternehmen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, die aktiv zum Klimaschutz beitragen.

Philosophisch gesehen stellt sich die Frage, ob wir unser Wirtschaften auf kurzfristige Profite ausrichten oder die Verantwortung übernehmen, eine gerechte und lebenswerte Welt zu hinterlassen. Die Antwort liegt in einem Geschäftsmodell, das Werte wie Solidarität, langfristiges Denken und globale Verantwortung in den Mittelpunkt stellt. Nur wenn CO2-Entnahme als Teil eines umfassenden, gerechten Wirtschaftsmodells verstanden wird, können wir verhindern, dass sie bestehende Ungerechtigkeiten verstärkt, statt sie zu lösen.

Eine der berechtigten Befürchtungen ist, dass mit dem CO2-Markt eine neuer „Neo-Kolonalismus“ wiederaufersteht.

Ralf M. Ruthardt | Ist es gerechtfertigt, auf CO2-Entnahme zu setzen, wenn sie als „Freibrief“ für Emissionen missverstanden werden könnte?

Stefan Ferber | Die Frage, ob es gerechtfertigt ist, auf CO2-Entnahme zu setzen, ist vielschichtig und erfordert eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer Rolle in der Klimapolitik. Einerseits ist CO2-Entnahme eine notwendige Maßnahme, um unvermeidbare Emissionen zu kompensieren und das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Andererseits birgt sie die Gefahr, als „Freibrief“ für fortgesetzte Emissionen missverstanden zu werden, wenn Unternehmen und Staaten sie als Ausrede nutzen, um dringend notwendige Reduktionen zu verschieben.

Ralf M. Ruthardt | Ich habe eine Zwischenfrage. Was ist die CO2-Entnahme dann: Ablasshandel oder Segen?

Stefan Ferber | Zuerst muss uns klar sein, dass die Menschheit niemals ohne CO2-Emissionen auskommen wird, alle UN/IPCC-Pfade haben (Rest-)Emissionen 2050 von 10-80 GtCO2e/a. Heute entnehmen wir nur 2 GtCO2e/a und das reicht nicht.

Dazu ein Hinweis auf folgende Studie: https://negative-emissions.bcg.com/home-de/?utm_source=cemicrosite&utm_description=organic&utm_campaign=dvne2024

Die Frage ist also zu präzisieren: Welche Rest-Missionen können wir uns leisten?

Ein Flug für 50 EUR nach Mallorca? Gebäude aus Zement und Stahl? Kunstdünger aus Erdgas? Diese Debatte müssen wir führen: Sie beginnt mit der Wissenschaft, läuft über die technische Machbarkeit und mit der Politik zu gesellschaftlichen Mehrheiten, ggf. Diktaten und im besten Fall zum Konsens.

CO2-Entnahme als Geschäftsmodell wirft ebenfalls ethische Fragen auf. Wenn große Unternehmen hohe Profite aus der Vermarktung von Emissionszertifikaten ziehen, während lokale Gemeinschaften oft nur geringe oder gar keine Vorteile davon haben, dann bleibt das System ungerecht. Eine nachhaltige Lösung erfordert, dass die wahren Kosten des Klimawandels internalisiert und gleichzeitig die Verantwortung zwischen Industrie, Politik und Zivilgesellschaft fair verteilt werden. Wir kennen Klimaprojekte mit mehr als 10 EUR/tCO2 bei denen die tropischen Landwirte mit weniger als 1 Cent abgespeist werden. Das ist nicht nur ungerecht, das ist auch nicht wirtschaftlich nachhaltig.

Unternehmen müssen sich fragen lassen, warum sie erst jetzt auf die Idee kommen, ihre Emissionen auszugleichen, und ob sie sich ausreichend mit den sozialen und ökologischen Konsequenzen ihrer Geschäftspraktiken auseinandersetzen. Warum war es so lange möglich, Produkte und Dienstleistungen anzubieten, deren Preis die wahren Kosten – für die Umwelt und die Gesellschaft – nicht reflektiert?

Ralf M. Ruthardt | Welche Technologien haben das Potenzial, skalierbar, effizient und ökologisch verträglich zu sein?

Stefan Ferber | In der westlichen Welt sind wir versucht, mit unserem technisch-mechanistischen Weltbild eine neue Maschine zu erfinden, die unsere Klimakrise löst. Ich halte es für ausgeschlossen, ohne die Rückkehr mit dem Einklang zur Natur, das Wesen dieser Krise zu lösen. Darum bin ich, auch oder gerade als Ingenieur, davon überzeugt, dass Bäume und Wälder die beste, einfachste und schnellste Wirkung liefern. Das wird nicht reichen, aber mit 10 GtCO2 pro Jahr sollten wir das Potenzial erstmal heben.

Technologien mit Potenzial, skalierbar, effizient und ökologisch verträglich zu sein, umfassen vor allem natürliche Ansätze wie Aufforstung und Humusaufbau sowie technische Lösungen wie Direct Air Carbon Capture and Storage (DACCS). Während natürliche Methoden oft sozial und ökologisch Mehrwert schaffen, sind technisch basierte Ansätze langfristig skalierbarer, jedoch auch energieintensiv, ressourcenverbrauchend und ökologisch weniger förderlich.

Es ist wichtig, mehrere Ansätze zu verfolgen, um unterschiedliche Anforderungen und Zeitrahmen abzudecken. Dabei sollten wir Mut haben, auch umfänglich in Forschung und Entwicklung zu investieren, selbst wenn es Rückschläge gibt. Innovation erfordert Experimente, und nur durch mutiges Handeln können wir Technologien hervorbringen, die echte Fortschritte ermöglichen.

Quellen: https://negative-emissions.bcg.com/home-de/?utm_source=cemicrosite&utm_description=organic&utm_campaign=dvne2024 (Seite 16, Abbildung 4) und https://www.heise.de/hintergrund/CO2-Entfernung-Verfahren-mit-hoechster-Kapazitaet-sind-am-wenigsten-ausgereift-9352605.html (MIT Technology Review 08/2023, Seite 18)

Ralf M. Ruthardt | Wie verhindert man, dass Aufforstungsprojekte oder technologische Verfahren zu neuen Umweltproblemen führen?

Stefan Ferber | Das Wichtigste ist, sorgfältig zu planen und natürliche Ökosysteme zu respektieren. Aufforstungsprojekte sollten auf einheimische Arten setzen und keine Monokulturen schaffen, während Technologien wie Direct Air Capture energieeffizient und ressourcenschonend gestaltet werden müssen. Transparenz und kontinuierliches Monitoring sind essentiell, genauso wie die Einbindung lokaler Gemeinschaften. Nur wenn wir von Anfang an alle Auswirkungen bedenken, können wir echte Lösungen schaffen, ohne neue Probleme zu verursachen.

Ralf M. Ruthardt | Welche Rolle spielen lokale Gemeinschaften in den Regionen, in denen CO2-Entnahme umgesetzt wird?

Stefan Ferber | Lokale Gemeinschaften sind das Herzstück solcher Projekte. Bei meinen Besuchen in Uganda und Indonesien habe ich erlebt, wie wichtig ihr Wissen über die lokalen Ökosysteme und ihre kulturellen Besonderheiten ist. Projekte funktionieren nur, wenn sie in die lokale Kultur eingebettet sind und den Menschen eine Perspektive bieten, sei es durch fairen Zugang zu Märkten, Bildung oder Einkommen. Für mich war es inspirierend zu sehen, wie diese Partnerschaften nicht nur den Klimaschutz fördern, sondern auch sozialen und wirtschaftlichen Aufschwung bringen. Es geht um Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Am Ende ist der Anspruch von TREEO, dass ein Landwirt CO2 in Bäumen genauso einfach verkaufen kann wie Mangos, Avocados oder Bananen auf dem lokalen Marktplatz.

Ralf M. Ruthardt | Wie schulen Sie Menschen weltweit, damit sie die Chancen und Risiken der CO2-Entnahme verstehen?

Stefan Ferber | Bildung ist der Schlüssel, und das beginnt bei den lokalen Projektpartnern. In Uganda und Indonesien habe ich gesehen, wie wichtig es ist, Menschen vor Ort nicht nur in der Technologie, sondern auch in ökologischen Zusammenhängen zu schulen. Diese Schulungen müssen praxisnah sein – etwa durch Workshops auf den Feldern, wo Bäume gepflanzt werden, oder durch unsere TREEO-App, die verständliche Daten liefert. Gleichzeitig braucht es globale Aufklärung, damit Unternehmen und Konsumenten verstehen, dass CO2-Entnahme keine einfache Lösung, sondern Teil eines größeren Systems ist. Es ist ermutigend zu sehen, wie schnell lokale Gemeinschaften zu Botschaftern für Klimaschutz werden, wenn sie den Sinn und die Chancen der Projekte erkennen.

Ralf M. Ruthardt | Wie kann man heute Strukturen schaffen, die eine CO2-neutrale Welt langfristig ermöglichen?

Stefan Ferber | Es beginnt mit einer klaren Vision und mutigen Entscheidungen. Wir brauchen internationale Regeln, die Emissionen begrenzen, Investitionen in erneuerbare Energien fördern und CO2-Entnahme fair regulieren. Gleichzeitig müssen wir lokale Strukturen stärken. Gemeinschaften brauchen Zugang zu Bildung, Finanzierung und Technologie, um aktiv Teil der Lösung zu sein. Auch Unternehmen spielen eine zentrale Rolle – sie müssen nachhaltige Geschäftsmodelle in der Kreislaufwirtschaft entwickeln und dafür Verantwortung übernehmen. Letztlich geht es darum, Systeme zu schaffen, die ökologisch, sozial und wirtschaftlich ausbalanciert sind. Wenn wir heute konsequent handeln, können wir diese Zukunft gestalten.

Ralf M. Ruthardt | An dieser Stelle lassen Sie uns die einzelnen Punkte nicht jeweils vertiefen, sondern abschließend ein Fazit ziehen.

Stefan Ferber | Bei TREEO sind wir mit dem Geschäftsmodell gestartet, sinnvolle Klimaprojekte über garantierte CO2-Removals zu verkaufen. Letztendlich ist die CO2-Entnahme nur ein Teilaspekt – sie symbolisiert die Fähigkeit unserer Gesellschaft, sich mit komplexen Herausforderungen auseinanderzusetzen, und drückt diese über die Tonne CO2 aus. Wir möchten zeigen, dass technologische Innovation auch soziale und wirtschaftliche Systeme nachhaltig verändern kann. Das gelingt nur im „Hegelschen Dialog“ der These, Anti-These und Synthese iterativ über die Zeit. Der Schlüssel liegt in der Perspektivenvielfalt: in der Bereitschaft, globale Zusammenhänge zu sehen und gerechte Lösungen für alle zu entwickeln. Vielen Dank, Herr Ruthardt, dass Sie uns diesen Raum für Austausch und Reflexion gegeben haben. Es ist der Dialog, der die Basis für eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft schafft. Letztendlich sollten wir alle aktiv werden, um unser Klima zu retten.

Ralf M. Ruthardt | Nun entlassen wir die Leserinnen und Leser nach einem ausführlichen Interview in die „weite Welt“ der Meinungsbildung und ich bedanke mich sehr bei Ihnen, lieber Dr. Stefan Ferber, für die umfassenden Einblicke und Erkenntnisse, die Sie uns gewährt haben. Alles Gute.

Mehr Informationen zu TREEO und zu Dr. Stefan Ferber erhalten Sie in MITMENSCHENREDEN – Magazin für Mensch & Gesellschaft (Ausgabe 2025-01). Hier geht es zum kostenlosen Download: https://bit.ly/3Wwx5Xv

(C) Ralf M. Ruthardt | https://ruthardt.de

Fotos: Dr. Stefan Ferber (TREEO, Stuttgart)

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Kontakt: Ralf M. Ruthardt | https://ruthardt.de | newsletter@ruthardt.de

 

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