Das unproduktive Spiel der Politik

Unser politisches System lebt vom Fordern von Privilegien. Fast jede Forderung einer gesellschaftlichen Gruppe kann man unter diesem Aspekt beleuchten. Selbst die Klimakleber fordern Privilegien.

Von Nickolas Emrich

Unser politisches System lebt vom Fordern von Privilegien. Fast jede Forderung einer gesellschaftlichen Gruppe kann man unter diesem Aspekt beleuchten. Selbst die Klimakleber fordern Privilegien. Ihre Forderungen kann man nachlesen. Es geht ihnen nicht um weniger Massentierhaltung oder den Erhalt von Naturschutzgebieten. Dafür hätte ich durchaus Sympathie. Nein, sie wollen, dass das 49-Euro-Ticket wieder 9 Euro kostet. Sie wollen 40 Euro sparen, die andere Menschen bezahlen sollen. Mit anderen Worten: Sie fordern eine Subvention. Sie fordern dabei nicht einmal, die Qualität oder Quantität des Bus- und Bahnverkehrs zu erhöhen. Es handelt sich um Leute, die überwiegend in Städten wohnen, und deren Ziel es ist, sich für noch weniger Geld in einen noch volleren Bus zu quetschen. Zahlen müssten das dann diejenigen, denen es zu voll ist und die daher auf andere Verkehrsmittel ausweichen. Es geht also nicht um mehr Kapazität, sondern um ein Geschenk für eine bestimmte Gruppe. Daher sind diese Menschen aus meiner Sicht auch keine Umweltschützer, sondern Lobbyisten.

Meines Erachtens wird unser System immer mehr von einer ungesunden Symbiose unterwandert: Einerseits hat sich die Politik daran gewöhnt, ihre Aufgabe sei das Verteilen von Geschenken, andererseits haben sich unzählige Interessengruppen daran gewöhnt, Geschenke von der Politik einzufordern. Wer fordert, kostenlos mit dem Bus fahren zu dürfen, sollte sich fragen, ob er den Bus auch kostenlos als Fahrer fahren würde.

Der Fehlanreiz für Bürger und Wirtschaft gleichermaßen lautet: »Geld verdient man nicht, Geld beantragt man.« Nicht, wer am produktivsten ist, sondern wer die Spielregeln (und ihre Ausnahmen) am besten versteht – und sein Leben vorausschauend danach ausrichtet –, fährt die größte Ernte am Buffet der Privilegien ein. Am besten formiert man sich zu einer Interessengruppe und richtet seine Forderungen an die Politik. Gerade ehrliche Menschen frustriert das. Langfristig hilft es aber nur, dieses System zu verstehen, um es zu ändern. Die Schule verrät einem recht wenig bis gar nichts dazu. Das ist insofern nicht verwunderlich, als man dort auch wenig über Steuern, Recht und wirtschaftlichen Erfolg lernt. Auch über Politik erfährt man kaum etwas. Das, was dort gelehrt wird, ist bestenfalls Geschichte und Staatsorganisation. Viele junge Menschen verlassen das staatliche Bildungswesen daher ziemlich staatsgläubig, was wohl durchaus auch im Sinne des Erfinders ist. Dabei entscheiden die Privilegien der eigenen Interessengruppe (leider) deutlich mehr über die zukünftige Stellung und den zukünftigen Wohlstand als Kompetenz, Fleiß und harte Arbeit.

Viele Politiker denken, sie müssten diese Politik den Bürgern nur besser erklären. Auf die Idee, dass viele Bürger diese Politik der vielen kleinen Kuhhandel gar nicht wollen, darauf kommen sie jedoch nicht. Ich sage daher: Es gibt keine bessere Politik. Besser ist nur weniger Politik.

 

 

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