Corona Pandemie: Aufarbeitung oder aussitzen?

Die Frage, ob es einer umfassenden Aufarbeitung der politischen Entscheidungen und der Rolle der Medien während der Corona-Pandemie bedarf, lässt sich klar bejahen.

Erinnern Sie sich an das Buch „Wir werden einander viel verzeihen müssen“ von Jens Spahn, welches in 2022 erschienen ist? – Es ist Jens Spahn´s persönlicher und politischer Rückblick auf die herausfordernden Corona-Jahre 2020 und 2021. Der Titel greift einen Satz auf, den Spahn bereits früh in der Pandemie während einer Rede im Bundestag sagte, und unterstreicht die Notwendigkeit von Empathie und Vergebung in einer gespaltenen Gesellschaft.

Spahns Buch zeichnet sich durch Selbstreflexion aus – und dies zu einem Zeitpunkt, als die RKI-Papiere noch nicht ungeschwärzt öffentlich gewesen sind. Jens Spahn analysiert seine Entscheidungen und Fehler als Gesundheitsminister und bietet einen relevanten Einblick in die politischen Prozesse und Herausforderungen, die während der Pandemie gemeistert werden mussten. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund und benennt offen die Schwierigkeiten und Fehltritte, die es gab. Diese kritische Rückschau in 2022 kann als erster Schritt zur Aufarbeitung der Pandemie angesehen werden.

Ein zentrales Thema des Buches ist die Debattenkultur innerhalb der Gesellschaft. Spahn hebt hervor, wie wichtig es ist, dass Diskussionen, auch wenn sie kontrovers sind, empathisch und respektvoll geführt werden. Die Pandemie habe die Spannungen und Spaltungen in der Gesellschaft verschärft und die Notwendigkeit eines konstruktiven Dialogs verdeutlicht. Diese Beobachtung ist besonders relevant, da sie zeigt, dass die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, entscheidend für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist.

Die Frage, ob es einer umfassenden Aufarbeitung der politischen Entscheidungen und der Rolle der Medien während der Corona-Pandemie bedarf, lässt sich klar bejahen. Spahns Buch ist ein Beitrag dazu, aber es ist nur der besagte Anfang. Aber wo ist der Beitrag zur Aufarbeitung von Karl Lauterbach? Hat Karl Lauterbach als Gesundheitsminister immer noch das RKI „weisungsgebunden“ quasi unter Kontrolle? Wie schaut es um die politische Handhabung der sogenannten RKI Protokolle aus – jetzt , wo diese ungeschwärzt vorliegen?

Eine systematische und unabhängige Untersuchung könnte helfen, die gemachten Fehler zu verstehen und daraus zu lernen. Besonders die Rolle der Medien, die einerseits zur Aufklärung beitrugen, andererseits aber auch zur Verbreitung von Panik und Spaltung, sollte kritisch beleuchtet werden. Viele Menschen fordern Konsequenzen für die Handelnden in Politik und Medien, die mit Schlagworten wie „eine Pandemie der Ungeimpften“ agiert haben.Aus einer ersten Emotion heraus mag eine solche Forderung plausibel und angemessen erscheinen. Sie sollte jedoch im Lichte von Rechtsprechung bewertet werden – damit sich nicht die gleichen Fehler umgekehrt wiederholen.

Den Prozess der Aufarbeitung werden wir noch mehrfach benötigen! – Denn es ist absehbar, dass wo möglich am Ende einer ideologisch verursachte Deindustrialisierung Deutschlands auch diejenigen nach Aufarbeitung rufen werden, die heute noch Unterstützer oder „stille“ Bürger sind – und morgen nach dem Verlust des Arbeitsplatzes eine andere, eigene Wahrnehmung haben werden. Insofern können wir als Gesellschaft den konstruktiven, fairen Prozess der Aufarbeitung anhand der Corona-Pandemie einüben.

Zurück zum Buch, dass vor dem Hintergrund der nunmehr vorliegenden, aktuellen Erkenntnisse und des politischen Agierens der politisch Verantwortlichen nochmals neu bewertet werden kann: Insgesamt bietet „Wir werden einander viel verzeihen müssen“ wertvolle Einblicke und Denkanstöße. Spahn gelingt es, sowohl die politischen als auch die gesellschaftlichen Aspekte der Pandemie aufzuarbeiten und gleichzeitig einen Blick nach vorne zu werfen. Das Buch ist eine Aufforderung, aus den Erfahrungen zu lernen und in zukünftigen Krisen besser zu handeln – mit mehr Empathie und einem tieferen Verständnis für die komplexen Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen.

Wir werden sehen, was die nächsten Monate zu diesem Thema bringen – und so lange bleiben wir konstruktiv und interessiert als Bürgerinnen und Bürger an der Fülle der gesellschaftspolitischen Themen dran.

Meine Buchempfehlung zum gesellschaftspolitischen Diskurs in Deutschland: „Das laute Schweigen des Max Grund“| Hardcover & eBook & Hörbuch (z. B. bei Spotify). Ihre Kommentare sind willkommen.

Kontakt: Ralf M. Ruthardt | https://ruthardt.de | newsletter@ruthardt.de

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