Furcht vor Populisten?

Dort wo Politik vernünftig ist - lässt sie sich erklären und braucht Populisten nicht zu fürchten. Dort, wo Journalismus differenziert und den Inhalt der Schlagzeile vorzieht, gibt es keine Gründe für mediales Gebrüll.

Ende Dezember 2024 ist ein öffentlicher Diskurs über die Akzeptanz ausländischer Einmischung in deutsche Wahlen entbrannt. Akteure aus Politik und Medien, aber auch viele Menschen in den sozialen Medien liefern sich teils heftige Wortgefechte. Genauer genommen müsste man sagen, dass einige hundert Politiker, einige hundert Journalisten und einige tausend Menschen in den sozialen Medien sich heftige Wortgefechte liefern. Keine Ahnung, wie sehr sich der Großteil der wahlberechtigten Bevölkerung für die Wortmeldung von Elon Musk in der „Welt am Sonntag“ interessiert.

Dieser Artikel versucht einen differenzierten Blick zu ermöglichen – und hat ausdrücklich keine Absicht, irgendeiner Partei „das Wort zu reden“. Es geht auch nicht um die inhaltliche Punkte, die Elon Musk angeführt hat. Vielmehr geht es in diesem Beitrag ausschließlich um die Frage, ob solche Wortmeldungen mit Wahlempfehlungen neu oder seit Jahren wechselseitig und allseits üblich sind.

Was ist geschehen: Nun, in der aktuellen politischen Landschaft Deutschlands sorgt der Gastbeitrag von Elon Musk in der „WELT am Sonntag“ Ende Dezember 2024 für heftige Diskussionen. Viele empfinden seine Äußerungen als unangebracht oder als eine Einmischung in den Wahlkampf zur Bundestagswahl im Februar 2025. Explizit die Empfehlung der AfD ist der Stein des Anstoßes.

Interessanterweise sind es oft dieselben Stimmen, die in der Vergangenheit keine Bedenken hatten, wenn ausländische Persönlichkeiten ihre Unterstützung für bestimmte deutsche Parteien ausdrückten – insbesondere, wenn diese Unterstützung den eigenen politischen Präferenzen entsprach. Die Empörung war besonders groß bei Anhängern DIE GRÜNEN und der SPD, die Musks Äußerungen als unangemessen empfanden. Aber auch Politiker aus den Reihen der CDU, wie Friedrich Merz, haben sich kritisch zu Wort gemeldet.

Eine Einladung: Wir machen uns auf den Gedankengang und versuchen uns vorsichtig heranzutasten, um einerseits keinem auf die Füße eitler Selbsteinschätzung zu treten und uns andererseits vielleicht etwas Erkenntnisgewinn und Einordnung zu erarbeiten. Wir bleiben also ergebnisoffen und vorsichtig genug, um nicht beim ersten Erkenntnisgewinn vor Freude das Hinterfragen der Erkenntnis zu vergessen. 😉

Unterstützung aus dem Ausland für deutsche Parteien: Ein Blick in die Vergangenheit

In der Vergangenheit gab es wohl keine in der Dimension vergleichbaren Einwände, wenn ausländische Persönlichkeiten ihre Unterstützung für deutsche Parteien wie für DIE GRÜNEN oder die SPD zum Ausdruck brachten. Denken wir an 2013, als die SPD-Spitze auf ihrer Klausurtagung einen prominenten Gast eingeladen hatte: Bill Gates. Er unterstützte damals die Sozialdemokraten bei Fragen der Finanzmarktsteuer – und alleine sein Dasein auf der Klausurtagung darf sicherlich als eine gelungene Marketingkampagne im Rahmen der Wahlwerbung gesehen werden.

George Soros, der ungarisch-amerikanische Milliardär und Gründer der Open Society Foundations (OSF), hat sich in der Vergangenheit positiv über die deutschen Grünen geäußert. In einem Essay von 2019 bezeichnete er sie als die „einzige konsequent pro-europäische Partei“ in Deutschland.

Wo möglich sind diese Empfehlungen nicht in gleicher, deutlicher Weise erfolgt, als jetzt durch Elon Musk. Sicherlich liegt die Dimension der Empörung auch darin begründet, dass Elon Musk durch seine Unterstützung von Donald Trump sich politisch klar positioniert – und dies nicht zum Wohlgefallen einer Großzahl von Menschen in Politik und Medien. Zudem hat er die durch eine „Brandmauer“ in den Parlamenten weitgehend isolierte AfD als Lösung der großen politischen Probleme in Deutschland benannt – und dies, ohne fachkundig auf den spezifischen Kontext hierzulande einzugehen.

Mischen sich deutsche Politiker im Ausland ein?

Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages und SPD-Abgeordneter, besuchte in 2024 mehrfach Georgien. Während dieser Besuche traf er sich mit Regierungsvertretern, Oppositionspolitikern, zivilgesellschaftlichen Akteuren und nahm an öffentlichen Demonstrationen teil. Sein Hauptanliegen war es, die pro-europäischen Bestrebungen der georgischen Bevölkerung zu unterstützen und auf demokratische Defizite hinzuweisen.

Zudem äußerte er Bedenken hinsichtlich der Parlamentswahlen in Georgien und forderte unabhängige Untersuchungen zu Vorwürfen von Wählerintimidation und Manipulation. Er betonte, dass ohne solche Untersuchungen die EU die Wahlergebnisse nicht anerkennen könne. Ist sein Auftritt eine Parteinahme gegen die dortige Regierung gewesen? Ist es eine unangemessene Einmischung in die inneren Angelegenheiten Georgiens? Liegt Michael Roth und der SPD das Wohlergehen der dortigen Bevölkerung am Herzen oder geht es um eine indirekte Schwächung Russlands?

Zwei weitere Beispiele: In 2012 sprach sich Angela Merkel für den französischen Präsidentschaftskandidaten Sarkozy und in 2017 für Macron aus. Ist das eine Einmischung und Wahlbeeinflussung zu werten? Gehen wir ins Jahr 2024, wo Außenministerin Annalena Baerbock bzw. deren Ministerium den US-Präsidentschaftskandidaten Trump im Netz verspottete. Wenn wir von Politik zu Medien wechseln, dann war in 2024 auffallend, wie die linksliberalen Presse in Deutschland Kamala Harris quasi als Erlöserin feierte. War all dies eine Wahlbeeinflussung in den USA?

Auf den ersten Blick und abhängig von eigenen politischen Tendenzen könnte man die Frage nach einer Doppelmoral stellen, wenn Menschen heute Elon Musk und die WELT lautstark kritisieren. Aber es ist ist nicht ganz so einfach, dieweil die Kontexte unterschiedlich sind.

Bevor wir es weiter differenzieren, hier noch Beispiele, was die finanzielle Unterstützung deutscher Parteien durch ausländische Organisationen anbelangt:

Der Verein Campact, der sich unter anderem nachhaltig gegen die AfD engagiert, erhält Unterstützung von ausländischen Organisationen. Laut dem Rechts- und Politikwissenschaftler Volker Boehme-Neßler besteht der Verdacht, dass der Verein durch sein Handeln die strengen Regeln zur Parteispende umgeht. Sicherlich darf man annehmen, dass Campact der Partei DIE GRÜNEN sehr, sehr nahesteht.

Als weiteres Beispiel könnten Spenden von Privatpersonen mit internationalem Hintergrund herangezogen werden. So erhielten im Wahljahr 2021 DIE GRÜNEN und die FDP hohe Spenden von Privatpersonen mit internationalem Hintergrund. Beispielsweise spendete der IT-Unternehmer Steven Schuurman 1.250.000 Euro an DIE GRÜNEN.

Eine Frage der Relation von verfügbarer Macht?

Wechseln wir die Perspektive und stellen uns die rhetorische Frage, ob beispielsweise das vor Ort Engagement von Ralf Stegner (SPD) für Kamala Harris in den USA eine wirksame Einmischung in den letzten US-Wahlkampf gewesen ist. Der deutsche Politiker hat sich, wie einige andere auch, öffentlich positioniert und die Wahl Kamala Harris empfohlen und zugleich seine Ablehnung gegenüber Donald Trump deutlich gemacht. Hier könnte angeführt werden, dass Ralf Stegner und andere nicht vergleichbar in der Macht ihrer Aussage sind, da diese weder eine vergleichbare internationale Präsenz wie Elon Mask haben und schon gar keine eigene Social Media Platform, vergleichbar mit X.

Eine vernünftige Politik und differenzierende Journalisten müssen Populisten nicht fürchten

Insofern zeigt sich, dass die Positionierung von Elon Musk eine besondere Tragweite hat und mit anderen, bisherigen ausländischen Wahlempfehlungen nur eingeschränkt vergleichbar ist. Kritik erscheint daher plausibel. Gleichwohl muss einschränkend hinzugefügt werden, dass die Diskussion um Elon Musk an dieser Stelle vor allem eins aufzeigt: Deutschland hat ein Problem mit sich selbst und der AfD. Denn während zweistellige Prozentwerte bei Wahlen von dieser Partei erzielt werden, gibt es von anderen politischen Parteien keine Antworten auf die Bedürfnisse der Menschen, die die AfD wählen.

Zugleich übersehen viele im Wettbewerb um Marktanteile zur WELT stehende Journalisten, wie der WELT-Chefredakteur Jan Philipp Burgard in seiner Gegenrede zu Elon Musks Gastbeitrag präzise Kritik an der AfD herausarbeitet: Antisemitisch, rassistisch, fremden-, schwulen- und lesbenfeindlich und antiamerikanisch sei diese und sie wolle aus einen DEXIT und so weiter. Rede und Gegenrede – was spricht dagegen? Leserinnen und Leser sind in der Lage, sich daraus ein Bild zu machen und dies eher, als es die kurzgefassten Empörungsposts von Journalisten in den Sozialen Medien ermöglichen.

Die eigentliche Gefahr für unser Land ist ein dauerhafter ökonomischer Abstieg mit den daraus folgenden Verteilungskämpfen, meint Boris Palmer dieser Tage in einem Gastbeitrag (FAZ, 28.12.2024).

Vielleicht liegt eine Art von Doppelmoral darin, wenn einmal mehr ein großer Aufschrei der Empörung keinen Beitrag dazu leistet, die politisch diffuse Lage in der deutschen Parteienlandschaft und die offensichtlichen, großen Problem Deutschlands zu lösen. Dort wo Politik vernünftig ist – lässt sie sich erklären und braucht Populisten nicht zu fürchten. Dort, wo Journalismus differenziert und den Inhalt der Schlagzeile vorzieht, gibt es keine Gründe für mediales Gebrüll.

Und noch ein Schlusssatz

Die Diskussion um Elon Musks Gastbeitrag in der „WELT am Sonntag“ und die Reaktionen darauf spiegeln wo möglich eine weitere Problematik wider: die selektive Empörung über ausländische Einmischung in die deutsche Politik. Es ist essenziell, dass wir als Gesellschaft konsistent in unseren Bewertungen bleiben und alle Formen der Einflussnahme kritisch hinterfragen – unabhängig davon, ob sie unseren eigenen politischen Ansichten entsprechen oder nicht.

Diesen Überlegungen darf selbstredend widersprochen werden. Und gerne, ohne den Verfasser in irgendeine politische Schublade der parteipolitischen Sideboards zu stecken 😉

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Kontakt: Ralf M. Ruthardt | https://ruthardt.de | newsletter@ruthardt.de

 

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