Es soll ausdrücklich kein „Aufreger“ sein, wenn wir hier über das Bildungssystem in Deutschland sprechen. Und nein, es wird dabei auch keine PISA-Studie zitiert. Die größten Probleme in unserem deutschen Bildungssystem lassen sich in mehreren zentralen Bereichen identifizieren. Diese Probleme betreffen sowohl strukturelle als auch inhaltliche Aspekte und haben weitreichende Auswirkungen auf die Bildungsqualität und Chancengleichheit. Im Folgenden sind die aktuell größten Herausforderungen aufgeführt. Darüber soll hier konstruktiv und im Ergebnis offen gesprochen werden.
1. Bildungsgerechtigkeit
Soziale Ungleichheit: Kinder aus sozial benachteiligten Familien haben oft schlechtere Bildungschancen. Der Bildungserfolg ist stark vom sozialen Hintergrund abhängig. Das liegt einerseits in der Natur der Sache. Andererseits ist erkennbar, dass die vergangenen Jahrzehnte nur teilweise den angestrebten Erfolg gebracht haben. Wir brauchen insbesondere um die sozial benachteiligten Familien herum ein soziales Umfeld, welches Anregung, Aufforderung und Möglichkeiten bietet. Mit Aufforderungen meine ich beispielsweise, dass Kinder im Kontext von Kindergarten und Schule nicht nur die Möglichkeit erhalten, an Lesungen in den öffentlichen Büchereien teilzunehmen, sondern es verpflichtende Bestandteile sind. Es braucht, so meine unverbindliche Einschätzung, mehr Fordern im Zusammenhang mit Förderung. Das adressiert zunächst nicht die Kinder, sondern deren Elternhaus.
Regionale Disparitäten: Unterschiede in der Bildungsqualität zwischen verschiedenen Bundesländern und innerhalb von Städten und ländlichen Gebieten sind zu würdigen.
2. Integration und Inklusion
Integration von Migranten: Auch hier geht es mir um eine konstruktive, nüchterne Betrachtung. Selbstredend sind hier und an jeder anderen Stellen konstruktiver Widerspruch, persönliche Erfahrungen und untermauernde Argumente willkommen. Dies nochmals zu betonen ist mir ein Anliegen, da seit geraumer Zeit jede Wortmeldung zu oft unter den Verdacht gestellt wird, dass sie etwas ungutes bewirken möchten. Das ist hier nicht der Fall! Zurück zum Thema. – Sprachliche Barrieren und kulturelle Unterschiede erschweren den Zugang zu Bildung und den schulischen Erfolg von Migrantenkindern. Hier sind wir in Deutschland weder qualitativ, noch quantitativ vorbereitet. Bisherige und aktuelle Regierungen sind meiner Wahrnehmung nach überfordert, hier die notwendigen bildungspolitischen Rahmenbedingungen zu schaffen. Vor allem ist bei den politischen Akteuren zur Kenntnis zu nehmen, dass es mit wohlfeilen Worten nicht getan ist. Die ankommenden Migranten brauchen hier eine Sozialisierung und diese beinhaltet eben auch, dass wir ein säkularer Staat sind. Zudem muss beispielsweise gewürdigt werden, dass viele der „halberwachsenen“ Migranten eine große Bürde mitbringen. Das sind wo möglich in den allermeisten Fällen nicht die Auswirkungen von Krieg oder Verfolgung. Sondern vielmehr die Erwartungshaltung der Familien im Ursprungsland, die auf Geldzahlungen warten und wo möglich massiven Druck ausüben. Schließlich haben da und dort die Familien Kredite aufgenommen, um die Migration zu ermöglichen. Meiner Wahrnehmung nach sind wir – selbst jetzt im Sommer 2024 – noch weit weg von einer lösungsorientierten Diskussion. Es geht in zu weiten Teilen ideologisch geprägte Einlassungen und um wahlbedingte Ankündigungen, denen keine entsprechenden politischen Handlungen folgen. In meinen Augen ist dies ein Beispiel dafür, weshalb extreme Parteien Zulauf erhalten. Und es ist ein Beispiel dafür, weshalb bei den sogenannten etablierten Parteien die Verantwortung genau dafür liegt.
Inklusion von Schülern mit Behinderungen: Es ist ein großer inhaltlicher Sprung, von der Integration von Migration hin zur Inklusion. Daher bitte ein kurzes gedachtes Durchatmen. Die Umsetzung von inklusivem Unterricht ist oft unzureichend, und es fehlt an Ressourcen und geschultem Personal. Der Grundgedanke der vergangenen mehr als zehn Jahre ist sicherlich zu würdigen: Der Inklusionsgedanke ist wertvoll – für alle Beteiligten.
3. Digitalisierung
Mangelhafte digitale Ausstattung: Viele Schulen sind unzureichend mit moderner Technik ausgestattet. Es fehlt an Computern, Tablets und einer stabilen Internetverbindung. Das ist jedoch nur die eine Seite. Es geht auch darum, dass wir – um dem Mangel an Lehrkräfte zu begegnen – deutlich mehr digitalen Unterricht (auch für zu Hause) anbieten könnten. Warum wird nicht bundesweit anteilig für den Geschichtsunterricht und für andere Fächer Lernstoff im Charakter von Fernunterricht – das ist ein Kann, nicht ein Muss – zusammengestellt und didaktisch aufbereitet. Dieser Unterricht kann zeitflexibel von den Schülerinnen und Schülern zu Hause genossen werden. Ich will das hier nicht weiter ins Detail beschreiben. Es scheint mir jedoch eine Diskussion wert und würde einen wichtigen Beitrag zum Bildungszugewinn und zur Kompensation von Mangel an Lehrkräften sein.
Digitale Kompetenzen: Lehrkräfte sind häufig nicht ausreichend in digitalen Unterrichtsmethoden geschult. Dies führt zu Unsicherheiten und ungenutztem Potenzial im digitalen Lernen. Hier platziere ich einen Vorwurf, der einen nennenswerten Teil der Lehrkräfte betreffen dürfte: Die Bereitschaft und das Engagement, sich selbst weiterzubilden und seine Unterrichtskonzepte anzupassen. Nein, es gilt nicht für alle. Aber die persönlichen Einblicke kann ich nicht ausblenden.
4. Lehrermangel und Überlastung
Lehrermangel: In vielen Regionen, besonders in ländlichen Gebieten, gibt es einen erheblichen Mangel an Lehrkräften. Dies führt zu überfüllten Klassen und Unterrichtsausfällen.
Arbeitsbelastung: Lehrkräfte sind oft überlastet und haben wenig Zeit für individuelle Förderung der Schüler. Burnout und Stress sind weit verbreitet. Letzteres liegt wo möglich an folgenden Faktoren: Mangelnde Mitwirkung der Eltern inklusive „Rückenstärkung“ für die Lehrkräfte. Mangelnde Disziplin der Kinder – was die Folge von Erziehung oder sozialem Umfeld im weitesten Sinn sein kann. Mangelnde Handlungsfähigkeit der Lehrkräfte: Welche wirksamen Sanktionen können Lehrkräfte verhängen, wenn ihnen Kinder den Unterricht mehr als nur situativ stören?! Nein, mit einem Aufschrei nach „woker“ Freundlichkeit kommen wir hier nicht weiter. Es muss wieder eine Vorstellung von Moral in unserer Gesellschaft Einzug halten. Dazu gehören Fleiß, Disziplin, Höflichkeit und Freundlichkeit, die Bereitschaft einen Dienst am Gemeinwesen zu übernehmen … und vieles mehr. Man könnte sagen, dass das altmodisch klingt. Vielleicht. Falsch muss es deswegen nicht sein. Ihre Wahrnehmungen und Erfahrungen sind mir wichtig; daher die Einladung, sich in den Kommentaren oder mit einer persönlichen Nachricht via LinkedIn ins Gespräch zu kommen.
5. Strukturprobleme
Frühe Selektion: Die Aufteilung der Schüler nach der vierten Klasse in verschiedene Schulformen (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) ist umstritten und wird als zu früh und als hinderlich für die Chancengleichheit kritisiert. Dazu habe ich keine Einschätzung und daher keine Meinung. Halte das Thema für aktuelle sekundär, da wir z. B. mit der Integration von Migrantenkindern und der Digitalisierung massive anderweitige Probleme haben. Man muss sich auf die dringlichen Probleme konzentrieren. Sonst geht gar nichts vorwärts.
Komplexe Bürokratie: Das föderale System führt zu unterschiedlichen Bildungssystemen in den Bundesländern, was Reformen und einheitliche Qualitätsstandards erschwert. Darin kann eine Chance liegen: Hatten wir nicht die Situation, dass ein Abitur in Bayern oder Baden-Württemberg mehr Wertigkeit bei einer Bewerbung zugesprochen bekommen hatte, als ein Abitur in beispielsweise Bremen? Der Wettbewerb unter den Bundesländern kann inspirierend sein.
6. Qualität der Ausbildung
Lehrerausbildung: Die Ausbildung der Lehrkräfte wird oft als veraltet und praxisfern kritisiert. Es fehlt an modernen pädagogischen Ansätzen und praktischen Erfahrungen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist wo möglich in der Lehrerausbildung ein Defizit zu erkennen, was die technische und methodische Fähigkeit zum Einsatz digitaler Medien und des Online-Unterrichts anbelangt.
Bildungsinhalte: Curricula sind häufig überladen und nicht ausreichend an die Anforderungen einer modernen, digitalen Gesellschaft angepasst.
7. Finanzausstattung
Investitionsbedarf: Viele Schulen sind in einem schlechten baulichen Zustand und benötigen dringend Investitionen in die Infrastruktur. Dazu muss man sagen, dass hier für die Kommunen ein ganz großes finanzielles „Fass“ aufgemacht wurde, indem massiv Gelder anderweitig eingesetzt werden mussten. Wenn man hier die Kosten für die Unterbringung von Migranten aufführt, ist das kein Affront gegen diese Menschen – sondern es ist ein Vorwurf an eine infantile Bundespolitik, die kein Maß und keine Logik und daher auch kaum Vernunft im Handeln mindestens seit 2015 in dieser Frage zu erkennen gibt.
Ungleiche Ressourcenverteilung: Es gibt erhebliche Unterschiede in der finanziellen Ausstattung von Schulen, was zu ungleichen Bildungschancen führt.
Fazit
Die Herausforderungen sind groß und alles hängt mit allem gefühlt zusammen. Man könnte Frust oder Wut empfinden – das macht es jedoch nicht besser. Daher sei der Diskussion beigetragen, dass eine Fokussierung auf die großen Problemfelder, eine realpolitische Benennung der Sachlagen frei von Ideologien und endlich – für alle Beteiligten durchaus mühsame und ggf. auch schmerzhafte – Lösungen in die Umsetzung kommen müssen. Wohlfeile Worte meinerseits? Ja, leider. Aber ich stelle mich hier der Diskussion und – wie immer – sind der konstruktive Widerspruch und die weiterführenden Gedanken willkommen.