RalF M. Ruthardt

70 % halten den Staat für überfordert

Ist unser Staat überfordert?

Lassen Sie uns über die Bürgerbefragung 2024 des Deutschen Beamtenbunds (dbb) sprechen. Der dbb hat die Ergebnisse seiner Befragung unter den Titel „70 Prozent halten den Staat für überfordert – Politik muss endlich umsteuern“ gestellt.

Es sei ein neuer Tiefpunkt, wenn 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger den Staat für überfordert hielten. Der negative Trend der letzten Jahre setzte sich immer weiter fort. Überfordert sei der Staat danach vor allem mit der Asyl- und Flüchtlingspolitik, der Bildungspolitik sowie der inneren Sicherheit.

Es ist die 18. dbb Bürgerbefragung, die das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des dbb durchgeführt hat. Laut Analyse unterscheiden die Befragten klar zwischen den staatlichen Institutionen und ihren Beschäftigten. Hier seien beispielsweise die Feuerwehrleute genannt, die auch in 2024 einen Spitzenplatz im Sinne einer positiven Bewertung einnehmen.

„Während wir jedes Jahr neue Negativrekorde über schwindendes Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Handlungsfähigkeit ihres Staates melden, steigt gleichzeitig das Ansehen der Beschäftigten. Der positive Trend beim Beamtenimage und im Beruferanking kann den seit Jahren anhaltenden Verfall staatlichen Ansehens und Autorität allerdings nicht aufhalten. Hierfür ist die Politik verantwortlich und nur sie kann Abhilfe schaffen“, so der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach am 26. Juni 2024 in Berlin.

Folgende Aufgaben des Staates haben die Befragten 2024 priorisiert: Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit. Verbesserung der Infrastruktur. Digitalisierung des öffentlichen Dienstes. Stärkung der Bundeswehr. Der Klimaschutz und die erneuerbaren Energien sind im Prioritäten-Ranking der Bevölkerung deutlich zurückgefallen.

Quelle: https://www.dbb.de/artikel/70-prozent-halten-den-staat-fuer-ueberfordert-politik-muss-endlich-umsteuern.html

Mein persönlicher Eindruck – beispielsweise im Kontext von IT-Projekten – ist, dass die Digitalisierung und damit einhergehende Potentiale zur a) Automatisierung von Geschäftsprozessen und b) anwenderfreundlicher (hier: bürgerfreundlicher) Interaktion weit von einem Optimum entfernt sind. Es stehen wo möglich weniger die verfügbaren Budgets, als vielmehr föderale Restriktionen, die Beschränkungen des Vergaberechts und ein Mangel an geeigneten personellen Ressourcen im Weg. Es ist somit nicht absehbar, dass in den nächsten Jahren eine nennenswerte positive Entwicklung stattfindet.

Man könnte zum Ergebnis kommen, dass neben der politischen Unfähigkeiten der Regierenden die Unmöglichkeiten bei den operativen Rahmenbedingungen hinzukommen. Daraus leitet sich ab, dass unter diesen Gegebenheiten keine Dynamik erwartbar ist. Dabei wären mindestens drei Potentiale sehr bedeutend und wertig:

Den Pensionsberg nicht weiter anwachsen lassen

Mehr Automatisierung in der öffentlichen Verwaltung sorgt mittelfristig dafür, dass weniger Menschen in diesen für eine Volkswirtschaft unproduktiven Bereichen eingesetzt werden müssen und somit der Wirtschaft zur Verfügung stehen. Es ist ein hohes Potential, was wir aus Sicht von Nettosteuerzahlung und aus Sicht von Fachkräftemangel heben können. Hinzu kommt, dass es erstrebenswert für uns als Gesellschaft ist, wenn der Pensionsberg nicht unbegrenzt weiter anwächst. Die Digitalisierung und Automatisierung können sich hier positiv auswirken.

Entbürokratisierung – sie kommt immer zu spät

Die zunehmenden Notlagen, in welche Deutschland hineinmanövriert wird, reichen von geostrategischen Eskalationsrisiken bis hin zu wirtschaftlichem Abbau und Wohlstandsverlust. Eine radikale Entbürokratisierung hilft nicht nur, wenn es um Infrastrukturprojekte und um die Handlungsfähigkeit von Unternehmen geht. Sie hilft auch, bei einer – wie auch immer final zu vereinbarenden – Energiewende. Dass hierbei die eine oder andere „never-ending Story“ bürokratischen Handelns gegen nicht jedermanns Einwendungen berücksichtigende Entscheidungen getauscht wird – darf in Kauf genommen werden. Das Gemeinwohl einer Eisenbahntrasse zur Anbindung an die Bahnstrecken in Österreich und Italien ist einer jahrzehntelanger Verzögerung vorzuziehen. Mindestens möchte ich das hier zur Diskussion stellen. Ja, die Entbürokratisierung kommt immer spät und gemessen am entstandenen volkswirtschaftlichen Schaden kommt sie auch zu spät. Gleichwohl: Irgendwann sollte sie eben kommen und der volkswirtschaftliche Nutzen ist immens.

Restrukturierung

Es ist geradezu „schmerzhaft“, mit welcher selbstgewählten oder zwangsläufigen Unproduktivität viele Bereiche in den Verwaltungen in Kommunen, Ländern und im Bund agieren. Als Unternehmen wäre man wo möglich bereits Pleite, wenn man nicht gerade eine Oligopol- oder Monopolstellung hat oder der Eigentümer die öffentliche Hand ist. Das Potential an Steuereinsparungen erscheint unvorstellbar, wenn bestimmte Dienstleistungen neu strukturiert werden. Ein Beispiel: Wäre es gesetzlich abbildbar, dass der Verwaltungsakt, also die formale Entscheidung, von einer verbeamteten Person getroffen wird, die zugehörigen Tätigkeiten jedoch privatisiert werden? Shared-Service-Center inklusive gegebenenfalls internationales Oursourcing von Services? … Man traut sich diese Gedanken gar nicht erst fortzusetzen.

Fazit

Erkennbar ist, dass es tausend nachvollziehbarer Gründe gibt, weshalb Bürgerinnen und Bürger in vielen Bereichen mit staatlichem Handeln nicht einverstanden und unzufrieden sind. Noch mehr: Es ist plausibel, dass die Menschen den Staat für überfordert halten. Auch deshalb, weil politisches Handeln der vergangenen ein, zwei Jahrzehnte gezeigt hat, dass es von Substanz lebt – und die Menschen steuerlich, inflationär und in deren Selbstbestimmtheit „verdursten“ lässt.

Willkommen ist Ihr Widerspruch, Ihre Erfahrung und Ihre Einschätzung zu meinen Ausführungen. Ich freue mich darauf.

Herzlichst
Ralf M. Ruthardt

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